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DER FILM

In einer komplexen Welt fallen einfache Antworten auf fruchtbaren Boden. Pegida, Salafisten, AFD, Reichsbürger, IS-Anhänger, Die Identitären, die wahre Religion - sie alle haben eines gemeinsam: Ein Dogma, das Andersdenkende abwertet und die eigene Ideologie zur absoluten Wahrheit erhebt. Aber warum radikalisieren sich immer mehr Menschen? Was ist so anziehend an fundamentalistischen Weltbildern? Wie wird man zum Fundamentalist?  

 

Ein Ex-Salafist und ein Ex-Neo-Nazi stellen sich in dieser Dokumentation ihrer Vergangenheit. Dominic Schmitz und Felix Benneckenstein waren jahrelang gefangen in einer Ideologie. Sie haben ihr komplettes Leben und sich selbst dafür aufgegeben. Sie waren radikal: Zwei Jugendliche, die in der Pubertät zu Fundamentalisten wurden. In völlig unterschiedlichen Gruppierungen, und doch so ähnlich in der Biographie. Anhand ihrer Erfahrungsberichte stellt der Film eine der wohl brennendsten Frage unserer Zeit: Warum werden Menschen radikal?  

Die Dokumentation über die alltägliche Realität fundamentalistischer Jugendlicher versucht nicht anzuprangern, sondern zu verstehen. Welche Gründe führen dazu, dass junge Menschen sich radikalen Ideologien anschließen? Welche Mechanismen greifen? Wie entsteht der Hass? 

the film
The facts
The mission
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HINTERGRÜNDE

Im Frühjahr 2016 begannen Julia Knopp und Maximilian Damm sich mit dem Themen Radikalisierung und Prävention zu beschäftigen. Als sie in Kontakt mit Felix Benneckenstein und Dominic Schmitz kamen, fiel schnell auf, wie ähnlich deren innere und äußere Situation zum Zeitpunkt des ersten Kontakts mit den radikalen Szenen war. Obwohl beide in völlig unterschiedlichen Gruppierungen landeten, zeigte das Ursachengeflecht, das zum Abrutschen in die Ideologie führte, starke Ähnlichkeiten.

Den beiden Regisseuren ist klar, dass die Ursachen für eine Radikalisierung stets individuell sind, trotzdem war es verblüffend zu sehen, wie sich der Mangel von persönlichen Ressourcen, Schwierigkeiten im familiären Umfeld oder Freundeskreis und emotionale Defizite der Protagonisten ähnelten. Auch Prinzipien innerhalb der Gruppierungen zeigten Parallelen: Anwerbemuster, das vermeintliche Geben bedingungsloser Anerkennung, wenn die Regeln der Gruppe befolgt werden, und das Vermitteln eines Elitegefühls. Die Idee zu einem Film, der nicht nur von einer Ideologie ausgeht, sondern zwei radikale Phänomene anspricht, entwickelte sich. Dabei dürfen die zwei völlig verschiedenen Ideologien keinesfalls gleichgesetzt werden. Für die Macher war es jeodoch spannend zu erkennen, mit welch ähnlichen Mechanismen zwei Ideologien arbeiten, die so Unterschiedliches wollen und die sich darüber hinaus auch gegenseitig zum Feindbild haben. Zudem ist es interessant, in welch ähnlicher Konstitution Felix Benneckenstein und Dominic Schmitz waren, als sie für die fundamentalistische Weltanschauung anfällig wurden. Trotzdem: Im Laufe des Arbeitsprozesses wurde eines ganz deutlich: In dieser diffizilen Thematik kann kein pars pro toto gelten. Hier gibt es keine Pauschalerklärungen – und deshalb auch kein Pauschalrezept gegen die Anziehungskraft von fundamentalistischen Strömungen.

 

Der Film verfolgt die zwei Lebensgeschichten beispielhaft. Dafür reiste das Team an insgesamt 35 Drehorte in der ganzen Bundesrepublik und sammelte in mehr als 30 Drehtagen Filmmaterial. Insgesamt 27 Personen waren an dem Projekt beteiligt.

 

"Hassjünger" ist der Diplomfilm der Regisseure Julia Knopp und Maximilian Damm – entstanden an der Filmakademie Baden-Württemberg in Koproduktion mit dem SWR.

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DIE PROTAGONISTEN

Felix Benneckenstein und Dominic Schmitz

Felix Benneckenstein und Dominic Schmitz sind ehemalige Fundamentalisten. Beide bewegten sich jahrelang in fundamentalistischen Szenen: Dominic Schmitz war Salafist und ein enger Vertrauter von Salafistenführer Sven Lau. Felix Benneckenstein verbrachte seine Jugend in der rechtsradikalen Szene Bayerns mit Neo-Nazis.

Beneckenstein war bekannt als Liedermacher „Flex“ und er war ein Star unter den Faschisten. Dominic Schmitz konvertierte als Jugendlicher zum Islam, weil ihm in seinem Leben voller Drogen und Computerspiele die Tiefe fehlte. So schloss er sich der laut Verfassungsschutz „dynamischsten islamistischen Bewegung in Deutschland“ an – den Salafisten. Beinahe alle bekannten islamistisch-terroristischen Strukturen in Deutschland sind salafistischen Stromungen zuzurechnen. War Dominic Schmitz also im Begriff ein Terrorist zu werden?

Mit dem Anschluss an fundamentalistische Gruppierungen ist immer eine Abkehr von Gesellschaft und vertrauten Menschen verbunden. Felix Benneckenstein wandte sich ebenfalls vollständig von seiner Familie ab und ersetzte diese durch die Kameraden aus der Erdinger Neo-Nazi-Szene. Bei ihnen fand er die Anerkennung, die er seit Jahren suchte: Ob Nazi-Aufmarsche, Saufgelage im heimischen Wohnzimmer oder Liederabende voller völkischer Musik – das war von nun an seine ideologisierte und trügerische Lebenswirklichkeit. Eine Lebenswirklichkeit, die von ihm verlangte, seinen eigenen Bruder als nicht lebenswert zu betrachten. Denn der leidet am Down-Syndrom.

Sowohl Felix Benneckenstein, als auch Dominic Schmitz behaupten, nie einem Menschen ernsthaft körperlich geschadet zu haben. Dass sie dazu fähig gewesen waren und die Ideologie sie hatte dahin treiben können, steht für beide fest. Benneckenstein war in einige Schlägereien verwickelt, wurde wegen Sachbeschädigung verurteilt, doch der Super-GAU blieb aus. Schmitz hingegen konzentrierte sich ganz auf seinen Glauben, produzierte YouTube-Videos im Auftrag von Sven Lau, pilgerte mit seinen Brüdern nach Mekka und unterwarf sich vollständig den Regeln der Salafisten. Eine arrangierte – heute geschiedene – Ehe war die Folge. Zwei Kinder gingen daraus hervor.

Benneckenstein und Schmitz waren mehrere Jahre in den jeweiligen Szenen aktiv. Sie beide mischten dort ganz oben mit. Und beide kamen mit der Zeit ins Grübeln. Die wachsende Aggressivität und Gewaltbereitschaft der Salafisten einerseits, die verworrene Argumentation des Holocaust-Revisionismus und die Lücken der rechten Ideologie andererseits ließen Dominic und Felix mehr und mehr ihre Weltanschauung hinterfragen. Ein Prozess der Distanzierung setzte ein und 2010 stiegen beide endgültig aus den Gruppierungen aus. Mit allen Konsequenzen. Es erwartete sie ein persönliches und soziales Loch ohnegleichen: Keine Freunde mehr, das Verhältnis zur Familie, die sie über Jahre vor den Kopf gestoßen hatten, zerrüttet, beide ohne Job. Dazu die Drohungen der alten Kameraden und Brüder. Beide werden bis heute bedroht. Sie halten ihren Wohnort geheim und bewegen sich nur unter äußerster Vor- sicht in der Öffentlichkeit. Zeitweise standen sie unter Personenschutz.

Mittlerweile sind die beiden Aussteiger in der Prävention und der Aussteigerhilfe aktiv. Heute verschaffen ihnen die Fehler der Vergangenheit absurderweise eine Aufgabe und Lebensgrundlage.

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